Es ist eines, wenn Personen dem christlichen Ideal folgen und ihr Leben für ihre Freunde hingeben. Es ist ein anderes, zur Rettung eines Menschen einem Dritten Organe herauszuschneiden, von dem offenbar nicht jedermann sicher ist, dass er auch tot ist.
Ich verstehe sowieso nicht, weshalb eine Definition, die primär der Transplantationsmedizin nutzt, also interessegeleitet ist, so allgemein akzeptiert wird, obwohl es um Leben und Tod geht. Man kann natürlich spekulieren, daß Menschen dieses Thema unangenehm ist, und sie daher noch weniger als sonst gewillt sind, zu hinterfragen, was ihnen da präsentiert wird. Zudem wird ja aus allen Rohren mit Pro-Hirntodkriteriumsargumenten geschossen (der überwiegende Teil der Medien, der Ärzteschaft und der Politik sind dafür- oder zumindest wird dieser Eindruck erweckt). Und man ist auch einfach nicht so gerne ein egoistischer Spielverderber, der seine Nieren und sein Herz lieber mit ins Grab nimmt, obwohl man damit doch Menschenleben retten könnte...Nein, man gibt sich lieber altruistisch, willigt in die Spende ein oder schiebt das Thema weit, weit weg.
Es ist auch nicht so ganz hilfreich, daß sich das Lehramt dazu noch nicht so ganz eindeutig geäußert hat. Wobei: wenn Spenden "ex cadavere" erlaubt sind, WENN man sicher sein kann, daß es wirklich ex cadavere ist, sprich: der Spender tot ist- dann verbietet sich die Organspende eigentlich für Katholiken, denn man kann sich da aus mehreren Gründen nicht sicher sein. Erstens muß man es nicht plausibel finden, daß der Mensch tot ist, wenn sein Hirn futsch ist, obwohl die Körpertemperatur autonom reguliert wird, inklusive Schwitzen; die Verdauung läuft, es zu Erektionen kommen kann, Schwangerschaften erhalten bleiben und in etlichen Fällen es eben nicht (beziehungsweise, erst Wochen/Monate/Jahre nach dem zu erwartenden Zeitpunkt) zu Asystolie kommt.
Zweitens muß man nicht zwangsläufig Vertrauen in die Diagnosemethoden und das Personal haben, oder in die entsprechenden Richtlinien.
Und drittens: erstaunlicherweise hat man mit neuen Geräten und Methoden Hirnaktivitäten in Arealen entdeckt, wo man je nach Krankheitsbild eigentlich keine erwarten durfte. Die diagnostischen Mittel zur Feststellung des Hirntods erfassen (so Fachleute) nicht das gesamte Gehirn. Es ist womöglich einfach eine Frage der Zeit und des Fortschritts, bis man eben doch Aktivität feststellt. Und wenn Ärzten unwohl ist bei der Sache, weil sie physiologische Schmerzreaktionen bei Hirntoten beobachtet haben, dann muß man nicht mal religiös argumentieren, um zum Schluß zu kommen, daß eigentlich nach derzeitigem Kenntnisstand der Hirntod als Kriterium für den Tod nicht vertretbar ist. Man KANN dann natürlich sagen, egal, dann sind die halt nicht tot, aber man kann sich ja heroisch entscheiden, sein Leben ein bißchen früher zu beenden. Oder, etwas weniger heroisch entscheiden, der Mensch da auf der Intensivstation, der könnte doch gerechtfertigterweise ein bißchen früher ins Jenseits befördert werden. Diese Überlegungen gibt es, und, so abscheulich ich sie auch finde- es wäre wenigstens ehrlich. Dann sollten wir uns aber ganz warm anziehen, weil: dann sind die Wachkomapatienten, die jahrelang nur rumliegen und dem Pflegepersonal Arbeit, den Angehörigen und der Gesellschaft Kosten machen, als nächstes dran. Und danach?
Auf was für Ideen man dann sonst noch so kommen kann will ich lieber nicht wissen. Es wäre zu hoffen, daß der Hirntod in Zukunft nicht mehr als Tod des Menschen gesehen wird, sondern als eine Wegmarke auf dem Weg vom Leben in den Tod. Und: es wäre fantastisch, wenn man statt irgendwelcher Versuche mit embryonalen Stammzellen, letztlich also mit extrem jungen Kindern (wer mit der Formulierung Probleme hat: das eigene Leben, oder das der eigenen Kinder, mal als Zeitstrahl vorstellen. Und dann ganz, ganz weit nach links gehen auf diesem Zeitstrahl...) , endlich weiterkommt bei der Forschung mit adulten Stammzellen. Vielleicht lässt sich auf diesem Wege irgendwann der Bedarf an "Ersatzorganen" decken. Ganz ohne dabei über noch-nicht-Leichen gehen zu müssen.